Blockchain: Use-Cases im öffentlichen Sektor

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Wie wird die Blockchain die Bürgerdienste verändern? Um diese Frage zu beantworten, hat sich Ende März auf Einladung des staatslabors hin eine Gruppe von mehreren der grössten Schweizer Experten für diese Technologie sowie Vertretern des öffentlichen Sektors zusammengefunden.

Für Professor Dirk Helbing (Chair of Computational Social Science, ETH Zürich) würde die Schaffung neuer Kryptowährungen im Zusammenhang mit Herausforderungen, denen der Staat sich ausgesetzt sieht, es diesem erlauben, seine Ziele mittels Anreizprogrammen auf effizientere Weise zu erreichen (siehe auch das Projekt Nervousnet).

Luka Müller, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei MME, hat seine Vision für die komplette Digitalisierung des Gesellschaftsrechts vorgestellt, von der Ausgabe von Aktien mittels Blockchain bis hin zur Digitalisierung der Register und der Einführung neuer Handelsplattformen, ähnlich einer Börse, für nicht börsennotierte Aktien.

Patrick Allemann, Gründer des Unternehmens LegalHub, erwartet, dass in Zukunft jede Person ihren eigenen digitalen Klon hat, der sie in allen Lebensphasen begleitet und mit der alle öffentlichen Dienste, die dieser Person zur Verfügung stehen, verbunden sind. Somit könnte Bürgern mit Erreichen der Volljährigkeit automatisch ein Wahl-Token übermittelt werden. Im Todesfall (der von einer entsprechend befugten Person bestätigt werden muss), können das Personenregister in Echtzeit aktualisiert und die betroffenen Dienste automatisch benachrichtigt werden.

Diese verschiedenen Ausführungen, die um Stellungnahmen der anderen anwesenden Experten ergänzt wurden (Johannes Höhener, Leiter der Digital Business Unit von Swisscom, Gonzalo Casas, Forscher im Bereich des Internets der Dinge an der ETH, Pierre-Edouard Wahl, Blockchain-Spezialist bei Crédit Suisse), eröffneten eine Diskussion, im Rahmen derer die anwesenden Vertreter des öffentlichen Sektors (Uwe Heck, IT-Architekt der Eidgenossenschaft, eine Vertreterin der Sozialdienste der Stadt Zürich, Vanessa de Vries, sowie ein Mitarbeiter des Bundesamts für Umwelt, Daniel Zürcher) ein besseres Verständnis des revolutionären Potenzials der Blockchain-Technologie für ihre jeweiligen Zuständigkeitsbereiche erhalten konnten.

Insgesamt wurden sieben Themenbereiche als die vielversprechendsten identifiziert:

  • Effizientere Implementierung öffentlicher Politik
  • Verbesserung der Verteilungssysteme für Sozialleistungen
  • Vereinfachung der Verwaltungsprozesse
  • Digitalisierung der Aktien nicht börsennotierter Unternehmen
  • Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der Staatssysteme
  • Digitale Identität
  • Gesetzänderungsvorschläge (z.B. Definition von Crypto-Eigentum)

Bis zur Implementierung von weit verbreiteten Blockchain Anwendungen im öffentlichen Sektor, sind aber noch einige Anpassungen notwendig. So kann diese Technologie nur auf Staatsebene umgesetzt werden, wenn es eine offiziell anerkannte, digitale Identität gibt. Die Meinungen der Arbeitskreisteilnehmer, ob es Aufgabe der Eidgenossenschaft sei, eine solche digitale Identität bereitzustellen, oder ob es die Rolle des Staates vielmehr sei, eine Reihe an bereits existierenden Identitäts-Anbietern zu akkreditieren, gingen auseinander. Über die Identität hinaus wären auch rechtliche Änderungen notwendig; insbesondere das Eigentum digitaler Objekte bedarf noch der rechtlichen Definition. Schliesslich ist auch bedeutender Schulungsaufwand innerhalb der Verwaltung erforderlich, bevor die ersten Blockchain-Projekte umgesetzt werden können. Es bleibt festzuhalten, dass die Thematik sich bislang nur wenig auf der öffentlichen Agenda gezeigt hat, was manche Teilnehmer dazu veranlasste, die Dringlichkeit des Handelns zu unterstreichen. Viele andere Länder sind bereits zur Gestaltung konkreter Prototypen in verschiedenen Bereichen wie für Grundbuch, Handelsregister oder Abstimmungen übergegangen.

Im Laufe der kommenden Monate wird das staatslabor sein Projekt weiterverfolgen und die oben angesprochenen Themen vertiefen. Dazu werden verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, die Experten aus Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor zusammenbringen und zum Ziel haben, einen oder mehrere Prototypen zu schaffen, mit denen die Herausforderungen bei der grossflächigen Umsetzung von Blockchain-Projekten direkter und konkreter ersichtlich werden.

Antoine Verdon leitet die Arbeitsgruppe „Blockchain & Government“ des staatslabors. Seit 2012 ist er im Blockchain-Ökosystem aktiv, anfänglich als Investor und seit der Gründung von LegalHub, das Kunden Werkzeuge für die Erstellung von Smart Contracts zur Verfügung stellt, auch als Unternehmer. Antoine berät auch mehrere Startups und kommentiert in den Schweizer Medien regelmässig die technologische Entwicklung.