Digitalisierung im Kanton Bern - unsere sieben Fragen an Mirjam Tschumi, Vizestaatsschreiberin des Kantons Bern

Kantonswappen Bern vor rotem Umriss der Schweiz

Seit dem Digitaltag 2019 veröffentlichen wir unsere Fragenserie zu den Digital- und E-Government-Strategien in allen Kantonen der Schweiz. Jeden Tag präsentieren wir so den Fortschritt und die Chancen sowie Herausforderungen in einem Kanton. Heute: Bern!

Unsere Interviewpartnerin: Mirjam Tschumi, Vizestaatsschreiberin im Kanton Bern.

1. Was war die Motivation hinter der kantonalen Digitalisierungsstrategie? Auf welche Bedürfnisse und Herausforderungen im Kanton und den Gemeinden antwortet die Strategie?

[Mirjam Tschumi: ] Die «Strategie Digitale Verwaltung des Kantons Bern» löst die bisher geltende E-Government Strategie von 2002 ab. Damit erfüllt der Regierungsrat den Auftrag der vom Grossen Rat überwiesenen Motion «E-Government: Endlich eine Strategie für den Kanton Bern». Mit der Strategie will der Regierungsrat die E-Government-Aktivitäten der gesamten Kantonsverwaltung koordiniert und gezielt vorantreiben, wie er es in seinen Legislaturzielen 2019-2022 «Regierungsrichtlinien – Engagement 2030» vorgesehen hat: In absehbarer Zukunft sollen Bevölkerung und Wirtschaft sämtliche Geschäfte mit der Verwaltung komplett elektronisch abwickeln können. Dies wird den administrativen Aufwand reduzieren und die Attraktivität des Kantons Bern als Wirtschafts- und Lebensraum fördern.

2. Welches waren die Inspirationsquellen für die Ausarbeitung? Andere Städte, Kantone, Länder? Die nationale Strategie?

[Mirjam Tschumi: ] Wir haben uns bei der Erarbeitung der Strategie an bestehenden Grundlagen orientiert. Neben verschiedenen kantonalen Strategien in erster Linie die «E-Government-Strategie Schweiz» sowie die «Leitlinien der Kantone zur Digitalen Verwaltung». Weitere Quellen waren jüngere Strategien anderer Kantone und Städte sowie aktuelle Forschungspublikationen.

3. Welche Akteure waren an der Erarbeitung der Strategie beteiligt?

[Mirjam Tschumi: ] Die Strategie wurde von kantonalen Fachstellen unter Beteiligung aller Direktionen erarbeitet. Der Prozess wurde begleitet von der Berner Fachhochschule. Neu ist die Staatskanzlei für die gesamtstaatliche Steuerung der digitalen Transformation verantwortlich. Sie wird dabei unterstützt durch das kantonale Amt für Informatik und Organisation sowie die Direktionen. Dafür richtet die Staatskanzlei eine Geschäftsstelle Digitale Verwaltung im Umfang von eineinhalb Vollzeitstellen ein.

4. Es gibt Kantone, die bei ihrer Strategie einen eher weiten Bezugsrahmen wählen, z.B. die Digitalisierung in der Gesellschaft. Andere beziehen die Strategie enger z.B. auf die IT der Verwaltung. Welchen Bezugsrahmen hat Ihre Strategie - und welche Gründe gibt es für den gewählten Bezugsrahmen?

[Mirjam Tschumi: ] Der Kanton Bern legt in einer ersten Phase die Priorität auf die digitale Transformation der Zentralverwaltung, um durch diese Modernisierung die Voraussetzungen für einen weiteren Ausbau zu schaffen. In weiteren Phasen wird die Ausweitung auf die Gesellschaft und die Wirtschaft angestrebt.

5. Welches laufende Projekt in Ihrem Kanton ist Ihrer Meinung nach ein gutes Beispiel für die Stossrichtung der Strategie?

[Mirjam Tschumi: ] Mit der Strategie verfolgt der Regierungsrat den in den letzten Jahren eingeschlagenen Weg, über die Digitalisierung den Zugang der Bevölkerung zu staatlichen Leistungen zu vereinfachen, konsequent weiter. Zahlreiche Projekte wurden bereits umgesetzt. So beispielsweise eine moderne Stellenplattform sowie ein kantonales E-Recruiting-System, welches den gesamten Bewerbungsprozess bis zum Vertragsabschluss papierlos abwickelt. Bereits seit vielen Jahren lassen sich die Steuererklärungen über TaxMe-Online elektronisch ausfüllen, einreichen und neu auch freigeben. Schliesslich wurde das elektronische Baubewilligungsverfahren eBau im Kanton flächendeckend eingeführt.

Mit der neuen Strategie sollen die Anstrengungen gebündelt und zielgerichteter ausgestaltet werden. Hierzu gehören auch massgeblich innengewandte Vorhaben wie ein einheitliches Geschäftsverwaltungssystem, die konsequente Standardisierung und Zentralisierung der IT-Infrastruktur im Programm IT@BE, sowie die Einführung eines ERP-Systems. Die komplette Überarbeitung der Webauftritte oder der Aufbau eines zentralen Publikumssupports über die Bürozeiten der Verwaltung hinaus als einzige Kontaktstelle (SPOC) für die Bevölkerung des Kantons Bern sind nach aussen wirksame Projekte. Letztlich sollen mit dem neuen Gesetz über die digitale Verwaltung (DVG) die Rechtsgrundlagen für die Digitalisierung der Verwaltung geschaffen werden.

6. Welche Herausforderung gibt es ganz konkret in der Praxis, mit denen Sie und Ihre Einheit bei der Umsetzung der Strategie konfrontiert sind?

[Mirjam Tschumi: ] Die Umsetzung der Strategie beginnt erst. Wichtig erscheint uns aber, dass die Digitalisierung nur im Einklang mit einem kulturellen Wandel gelingen kann. Aus diesem Grund liegt die strategische Führung beim Regierungsrat. Es wurde eine Delegation der Regierung geschaffen, die sich in regelmässigen Abständen mit direktionsübergreifenden und strategischen Fragen befasst und dem anstehendem Wandel die notwendige Bedeutung verleiht. Zudem stellt ein neues «Kontaktgremium Digitalisierung Kanton-Gemeinden» den regelmässigen Austausch mit den bernischen Gemeinden sicher.

7. Wenn Sie das entscheiden könnten: Gibt es Formen und Gefässe für den Austausch mit anderen Kantonen oder Ländern, die Sie lancieren würden, um von den Erfahrungen der anderen besser profitieren zu können?

[Mirjam Tschumi: ] Dies wird sich erst im Rahmen der Umsetzung der Strategie beurteilen lassen. Grundsätzlich erachten wir eine intensive Vernetzung als Erfolgsfaktor, um möglichst viel von den Erfahrungen Anderer profitieren zu können.

Wir bedanken uns für die Beantwortung unserer Fragen und wünschen weiterhin viel Erfolg bei den Digitalisierungsbemühungen im Kanton! 

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