Die Philanthropie als Katalysator für die öffentliche Innovation

Innovation

Der öffentliche Sektor stellt für alle Menschen in der Schweiz Dienstleistungen bereit. Gleichzeitig sind diese manchmal nicht genug bedürfnisorientiert. Es braucht dafür innovative Testräume zur Weiterentwicklung der öffentlichen Verwaltung und ihrer Dienstleistungen.

Ein Projektbeispiel des staatslabors im Gleichstellungsbereich zeigt auf, welches Potenzial die Philanthropie hier hat. Sie kann als Katalysator für Initiativen dienen, die abseits der ausgetretenen Pfade liegen und Lücken auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Schweiz schliessen.

Es fehlt der Schweizer Verwaltung an Lern- und Testräumen

Der öffentliche Sektor spielt eine zentrale Rolle für die Lebensqualität und die Perspektiven in der Schweiz. Er stellt grundsätzlich für alle Menschen wesentliche Dienstleistungen bereit. Das gilt ganz besonders für die sozial und wirtschaftlich Schwächeren.

Gleichzeitig gibt es viele öffentliche Dienstleistungen welche deutlich bedürfnisorientierter sein könnten. Die öffentliche Verwaltung bindet die Einwohnerinnen und Einwohner selten ein, verfügt manchmal nicht über das nötige interne Know-how und betrachtet Projekte, die - der komplexen und dynamischen Umwelt des 21. Jahrhunderts entsprechend - resultatoffen aufgesetzt und agil umgesetzt werden, als zu riskant.

Wir verschenken in diesem Sinn viel Potenzial. Doch es fehlen dem Land die Räume, um die Innovation im öffentlichen Sektor möglich zu machen und Ansätze ausserhalb der ausgetretenen Pfade zu testen. Wir sind überzeugt, dass die Lücken auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Schweiz nur geschlossen werden, wenn mit kontrolliertem Risiko an Neuem getüftelt werden kann. Dafür braucht es aber Katalysatoren - und die Philanthropie ist für diese Rolle prädestiniert.

Philanthropie als Katalysator für öffentliche Innovation: Ein Beispiel

Unserer Erfahrung nach hat die Philanthropie das grosse Potenzial, als Katalysator für innovative Initiativen mit hoher Wirkung zu dienen.

Dies zeigt das folgende Pilotprojekt aus dem Gleichstellungsbereich eindrücklich. In diesem Beispiel ermöglichte uns ein Verein von führenden Schweizer PhilanthropInnen, der sich unter anderem auf das Thema der Geschlechtergleichstellung konzentriert, eine neue Art der Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Verwaltung und Gesellschaft zu testen. Der Verein trug so wesentlich zu einem De-Risking von innovativen Aktivitäten bei, was einen systemischen Veränderungsprozess angestossen hat.

2019 haben wir mit den Gleichstellungsfachstellen von Stadt und Kanton Bern eine Plattform für betriebliche Gleichstellung entwickelt. Die Vision war, mehr praxisorientierten Austausch zwischen Unternehmen zu betrieblichen Gleichstellungsfragen zu ermöglichen - und zwar durch eine Plattform, die Unternehmen hilft, praxisbezogene Lösungen zu entwickeln.

Dabei wurden, in enger partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen allen Projektpartnern, die Unternehmen als Zielgruppe der Plattform von Beginn weg in die Entwicklung mit einbezogen: Sie sollten nicht nur Lösungen erarbeiten, sondern bereits die Form des Austauschs untereinander mitgestalten können. So wurde die Idee eines jährlichen Zyklus von Unternehmensworkshops entwickelt, in denen die Teilnehmenden praktische Lösungen für ihre Gleichstellungsherausforderungen im Betrieb erarbeiten und sich in einer Art kollaborativem Wettbewerb untereinander anspornen, innovative Lösungsansätze zu erproben.

Ein solches userzentriertes Vorgehen ist international gute Praxis, aber in der öffentlichen Verwaltung der Schweiz noch Neuland: Den Startschuss zum Handeln gibt kein minutiös ausgearbeitetes Projektkonzept, sondern eine gemeinsame Vision. Wie Christian Bason, Gründer des Dänischen MindLab, dem weltweit ersten Innovationslabor im öffentlichen Sektor, formuliert: "Wenn eine Verwaltung einmal wirklich mit ihren NutzerInnen zusammengearbeitet hat, gibt es kein Zurück mehr. Eine Initiative für bürgernahe Dienstleistungen kann deshalb mit geringen Mitteln eine erhebliche Wirkung haben.”

Mehr bewirken: Ein neues Fördermodell?

In beschriebenen Beispiel ermöglichte es die philanthropische Finanzierung, eine neue Art von Zusammenarbeit zwischen den Gleichstellungsfachstellen und gesellschaftlichen AkteurInnen aufzusetzen, um praktische Lösungen für gleichstellungs- und familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu entwickeln.

Der nachhaltige Effekt dieses Vorgehens ist bereits jetzt belegt:

  • Institutionell nachhaltig verankert: Die Stadtregierung hat das Projekt offiziell als Massnahme in ihrem Aktionsplan Gleichstellung 2019-2022 verankert. Die Berner Unternehmensplattform wurde im Herbst 2019 so in den ordentlichen Geschäftsverlauf integriert.
  • Finanziell nachhaltig skalierbar: Das Projekt hat Ende 2019 eine dreijährige Folgefinanzierung des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) erhalten. Mit einer philanthropischen Investition von wenigen zehntausend Franken wurde ein Vielfaches an öffentlichen Mitteln freigesetzt - ein beträchtlicher Wirkungshebel.

Das skizzierte Modell kann dabei auch in anderen Wirkungsbereichen zur Geltung kommen, so zum Beispiel Bildung und Digitalisierung, Generationenvertrag und Leben im Alter, vielfältige Gesellschaft und Kulturwandel oder Armut und Chancengleichheit.

Stiftungen dienen in einem solchen Modell als Katalysator für Initiativen, die abseits der ausgetretenen Pfade liegen und Lücken auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Schweiz schliessen. Ein einmal investierter Stiftungsfranken erzielt zudem eine multiplizierte und systemische Wirkung.